Ausgebrannt und erschöpft? Oder einfach nur müde?
Burnout erkennen und vorbeugen
Im Zuge eigener Erfahrungen, die ich während unterschiedlicher Coachingsitzungen gesammelt habe, ist dieser Begriff für mich immer wieder wahrnehmbar. Coachees beschreiben eine innere Unruhe oder den Verlust der Konzentrationsfähigkeit - und formulieren die Sorge, dass sie vor einem Burnout stehen.
Doch was bedeutet das?
Ein Burnout ist, wie der Name schon sagt, das tiefe Gefühl des Ausgebranntseins, das zu handfesten körperlichen Symptomen führt. Betroffene schlafen sehr schlecht weil das Gedankenkarussell nie still steht, sie leiden unter Magen-Darm-Problemen und anderen nervösen Störungen. Auch die erhöhte Tendenz zu einem Suchtverhalten fällt auf, in schweren Fällen in Verbindung mit Alkohol, Nikotin oder Medikamenten. Ich habe auch schon Coachees betreut, die von nicht stoffgebundenen Süchten wie Kauf- oder Spielsucht erzählen. Schon „banale“ Veränderungen im Konsum sind Indikatoren. Übermäßiger Kaffeeverzehr oder die widersprüchliche Sucht nach mehr Arbeit kann ich erfahrungsgemäß einbringen. Auffällig ist dabei, dass Betroffene beschreiben, dass sie am Ende deutlich weniger leisten und im sozialen Umfeld sehr große Beeinträchtigungen erleben. Diese entstehen vorrangig durch ihre Depersonalisierung, also die Entfremdung zu sich selbst. Sie entwickeln zu Beispiel einen zynischen Blick auf ihre Umgebung und werden „zu einem anderen Menschen“. Durch diese Zusammenfassung wird klar, wie ernst dieses Thema ist.
Aber ist Burnout jetzt eine Krankheit oder „nur“ eine Überforderung?
Zuallererst: Eine Überforderung ist eine ernste Situation, die man nicht relavitieren sollte. Wenn man sich beispielsweise durch Laufsport das Knie überlastet, geht man zum Arzt, warum nicht auch bei einer emotionalen Überanstrengung? Die Gründe liegen hier wohl in der eigenen Wahrnehmung, wie oft sagt man sich: "Das ist nicht so schlimm.", "Reiß dich mal zusammen.", "Person XY hat viel Schlimmeres durch, dem gehts auch gut." Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich die Menschen es selber nicht erlauben einen kritischen Blick auf das eigene Verhalten zu werfen, da beispielsweise "zu viel Arbeit" in unserer Kollektivwahrnehmung nichts Schlechtes ist. Im Gegenteil: Wer viel leistet, der ist auch viel wert. Leider wird hier nicht differenziert zwischen "viel" im Sinne der tatsächlichen performanten Leistung und der Anzahl der geleisteten Arbeitstunden. So schleicht sich das Ausbrennen täglich immer mehr ein. Und kein Mensch soll seinen Wert an seiner Produkivität messen.
Ob Burnout nun aber eine Begleiterscheinung der Depression oder eine eigene Diagnose ist, wird in der Fachwelt sehr heiß diskutiert und ist nicht endgültig definiert. Grundätzlich sprechen viele Argumente dafür, dass es sich um eine "durch äußere Umstände verursachte Störung" handelt.
Folgende Fakten wiegen bei der Abwägung zwischen eigener Diagnose oder Begleiterscheinung am schwersten:
Einen Burnout erleiden nach einer langen Phase der Überforderung auch Menschen, die zuvor (lebenslänglich) psychisch sehr stabil waren.
Eine Depression, welcher das Burnout-Syndrom sehr ähnelt, erleiden auch Menschen, die aktuell eindeutig nicht überfordert sind. Die endogene bipolare Störung beispeilsweise tritt zyklisch und ohne erkennbaren äußeren Anlass auf – bei manchen Betroffenen erstaunlicherweise pünktlich alle sieben Jahre.
Dennoch sind die Burnout-Symptome denen der Depression so ähnlich, dass sich die Wissenschaft bislang (Stand: Ende 2019) auf eine eindeutige Abgrenzung beider Krankheitsbilder voneinander noch nicht festlegen will. Oft wird das Burnout als Symptom einer Depression aufgezählt, andererseit steht das Ausgebranntsein als eigene Diagnose im Raum. Es gibt zudem grundlegend diverse Schwierigkeiten bei der Bewertung des Burnout-Konzepts. So kritisieren manche Mediziner und Coaches, dass die Ursachen bislang primär im Arbeitsumfeld gesucht werden. In Wahrheit ist bei der Anamnese stets zuverlässig zu ermitteln, dass ein Bedingungskomplex zum Burnout geführt hat: Zur beruflichen Überforderung gesellte sich beispielsweise ein Trauerfall, es gab Probleme im privaten Umfeld oder einen ernsten Krankheitsfall, auch die Lebensphase und die finanzielle Situation spielen eine große Rolle - ähnlich wie bei der Depression.
Hauptursachen für einen Burnout
Um einen Überblick über Ursachen zu gewinnen, kann man nun grundsätzlich sagen, dass eine lange andauernde Überlastung, die länger als ein Jahr anhält, am häufigsten der Auslöser ist. Das kann nun beruflicher oder privater Natur sein, beispielsweise durch ein utopisch forderndes Projekt mit Pendlerhintergrund oder auch durch extremen finanziellen oder gesundheitlichen Stress oder die Pflege eines Angehörigen.
Desweiteren wird der Hang zum Perfektionismus als Indikator beschrieben, da dieser für wenig Reflektierte sehr kräftezehrend ist. Perfektionismus hat als Begleiterscheinung den ständigen Anforderungsdruck, den man sich selber gegenüber aufrecht erhält. Das kann zu einer Überlastung führen, da man die Ziele die man sich persönlich setzt, sowieso nie erfüllen kann. Dazu kommt, dass im Berufsleben oft unterschätzt wird, was eine mangelnde Fähigkeiten des Nein-Sagens oder Delegierens nach sich zieht, wenn man sowieso schon überlastet ist. Wenn man sich nur neue Themen auf den Tisch zieht, sich einer objektiv hohe Arbeitsmenge gegenübersieht und es nicht schafft, um Hilfe zu bitte, sind die Folgen absehbar. Die Gegenüberstellung zum Aufwand in Anbetracht der nahenden Deadline erzeugt extremen Druck auf die Psyche, das steigert den Effekt des Burnouts.
Im Berufsalltag sind Entlastungen sehr viel schwieriger zu erreichen, denn je nach Firmenkultur kann es als Makel gelten, auf das persönliche Gefühl des Ausgebranntseins hinzuweisen. Als noch geächteter gilt nur die Depression. In einer Firma mit Verständnis und auch einem gewissen Know-how wird allerdings ein Burnout-Syndrom als solches akzeptiert. Im günstigsten Fall adelt es sogar den betroffenen Mitarbeiter, dass er offen über die Diagnose oder seine Situation spricht.
Bin ich betroffen?
Präventiv lässt sich ein Burnout-Syndrom vermeiden, indem Menschen bei beginnenden Symptomen (siehe oben) sofort einen Gang herunterschalten. Ich empfehle Achtsamkeit: Eine ehrliche Wahrnehmung der eigenen Körpersignale ist sehr zu empfehlen: Es kann wirklich jeden treffen! Danach gilt es für die Heilung auslösende Bestandteile im Leben umzustellen. Häufige Auslöser für ein Burnout habe ich oben bereits zusammengefasst, das ist allerdings bei jedem Menschen anders. Alleine die Wahrnehmung, dass es ein Thema gibt, das man anders wahrnimmt als früher, ist wertvoll um in die Heilung zu gehen. In jedem Fall sind intensivere und längere Ruhephasen kleine einfache Schritte.
Burnout-Heilung und -Prävention wird von Krankenkassen angeboten, viele Arbeitgeber forcieren dieses Thema ebenso. Wenn du keinen offiziellen Weg gehen möchtest, dann sprich mit deinem Hausarzt oder wende dich an Kontaktstellen. Kein noch so professionell aussehender Online Fragebogen ersetzt das persönliche Gespräch mit einem Profi. Wenn du denkst, dass du betroffen bist, dann nimm Kontakt auf. Du hast die Verantwortung für dich und deine mentale Gesundheit, bitte nimm das ernst.